Vorbemerkung:
Diese Leitlinien wurden in Zusammenschau verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen erarbeitet und sind Grundlage der inhaltlichen und methodisch-didaktischen Ausrichtung von TeenSTAR Österreich sowie der Ausbildung der Sexualpädagoginnen und -pädagogen.
1 Geschlechtlichkeit und Sexualität als ganzheitliche Aufgabe zur Lebensgestaltung
Sexualität ist eine Quelle der Lebensfreude, die dem Menschen als Subjekt zur selbstverantworteten Gestaltung mitgegeben ist. Das sexualpädagogische Konzept von TeenSTAR stellt daher den Menschen als Person (und Subjekt) in den Mittelpunkt und unterstützt ihn im Prozess der Selbstaneignung seiner Geschlechtlichkeit und Sexualität. Da Geschlechtlichkeit1 und Sexualität2 immer auch mit einem Du gestaltet werden, geht es bei der Selbstaneignung auch immer um die Auseinandersetzung mit dem Begriff Liebe und ethischen Fragen, die u.a. die Gestaltung von Partnerschaft betreffen.
2 Sexualität als Erfahrung von Lust – Fruchtbarkeit – Beziehung und als Spannung zwischen Autonomie und Bindung
Die menschliche Sexualität steht in einem Geflecht unterschiedlicher Motive. Die Sexualwissenschaft nennt als zusammenhängende Motive Lust, Fruchtbarkeit und Beziehung, zu denen der Mensch bezogen auf seine eigene Sexualität einen Zugang finden sollte. TeenSTAR schafft dem Menschen Raum, damit er für diese Motive im Kontext seiner Geschlechtlichkeit und Sexualität sprachfähig wird und sie im Zusammenhang mit seiner Entwicklung und mit Blick auf seine Zukunft integrieren kann. Eine wesentliche Entwicklungsaufgabe für den jungen Menschen ist, die Motive seiner Sexualität in der Spannung von Autonomie und Bindung zu leben.
3 Geschlechtlichkeit und Sexualität im Kontext von Entwicklung und Sozialisation
Das Erleben von individueller Sexualität ist immer auch sozial und kulturell bedingt und beeinflusst. Als Mensch, der seine Sexualität selbstbestimmt gestalten und leben soll, muss er die Fähigkeit entwickeln, sich mit den ihm angebotenen kulturellen und ethischen Konzepten von Geschlechtlichkeit und Sexualität auseinanderzusetzen. Ziel von TeenSTAR ist daher die Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit den Werthaltungen, denen der Mensch in der Familie, Peer Group, in Institutionen und Medien gegenübersteht und einer selbstverantworteten Gestaltung seiner Sexualität. TeenSTAR unterstützt junge Menschen daher beim Aufbau einer selbstbewussten und kritischen Diskursfähigkeit. Dabei spielen die Themen Ehe, Familie und Schutz des Lebens eine besondere Rolle, weil sexuelles Handeln immer schon mit diesen in einem Zusammenhang stehen.
4 Sexualpädagogik im Blick auf Entwicklungssensibilität
Geschlechtlichkeit und Sexualität gehören von Anfang an zum Menschsein, andererseits kann der Mensch sie immer nur im Kontext seiner emotionalen und kognitiven Reifung reflektieren und in seine Persönlichkeit integrieren. Die Sexualpädagoginnen und -pädagogen von TeenSTAR arbeiten daher entwicklungssensibel und nähern sich so – unter Berücksichtigung entwicklungspsychologischer Erkenntnisse zur emotionalen und kognitiven Reife – dem Standpunkt des jungen Menschen an. Gleiches machen sie in Bezug auf das Verstehen und Erleben von Sexualität in einer bestimmten Altersphase. Ziele sind dabei die Vermeidung jeder emotionalen und kognitiven Überforderung und die Entwicklung solcher didaktisch-methodischer Angebote, mit denen sich die Adressatinnen und Adressaten, aufgrund der Verminderung von Überforderung, möglichst selbstständig auseinandersetzen können.
5 Sexualpädagogik im Blick auf unterschiedliche Sexualitäten
TeenSTAR folgt der heute in den Sexualwissenschaften vertretenen These, dass es unterschiedliche Sexualitäten gibt bzw. diese erlebt werden. Sowohl Hetero-, Bi-, Homo- und Transsexualität treten in vielfältiger Weise auf. Da vor allem heranwachsende Menschen eine hohe Instabilität in Bezug auf ihre sexuelle Orientierung empfinden, arbeitet TeenSTAR einerseits entstigmatisierend und andererseits wird eine pädagogische Beeinflussung der Entscheidung für eine bestimmte sexuelle Orientierung aus Respekt vor der persönlichen Entscheidung unterlassen.
6 Sexualpädagogik im Blick auf Sexualbildung
Die Konzeption der Sexualpädagogik von TeenSTAR versteht sich als Sexualbildung und grenzt sich dabei von einer bevormundenden Sexualerziehung und einer anleitenden sexuellen Bildung ab. Sexualbildung wird analog zum Begriff der Gesundheitsbildung verwendet und will den jungen Menschen befähigen, sich im Bereich der Geschlechtlichkeit und Sexualität zu bilden, um damit den Weg zu einer lebenslangen, selbstbestimmten Bildung zu öffnen. Denn Geschlechtlichkeit und Sexualität sind immer ein Erleben, das der Mensch im Gestern, Heute und Morgen je anders erfährt und lebenslangen Wandlungen unterliegt.
7 Sexualpädagogik als Prävention
Ein wichtiges Ziel der Sexualpädagogik von TeenSTAR ist die Prävention von sexuellen Grenzverletzungen und sexuellem Missbrauch. Der Gedanke der Prävention wird durch das sexualpädagogische Gesamtkonzept verwirklicht, vor allem durch den Aufbau von Kompetenzen, die in Kindern und Jugendlichen das Verstehen und Lösen problematischer Situationen im Bereich der Sexualität durch Erhöhung von Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung ermöglichen. Dabei orientiert sich TeenSTAR am Konzept der Salutogenese und Resilienz.
1 Geschlechtlichkeit ist als Faktor der Identität zu verstehen, die dem Menschen, einmal von seinen Genen und ein anderes Mal von seiner sozialen Umwelt her entgegentritt, mit der inneren Aufforderung der Herausbildung eines Empfindens des eigenen Geschlechtskörpers, der Wahrnehmung von eigenen geschlechtsspezifischen Fähigkeiten und dem Erleben einer Zugehörigkeit zum eigenen Geschlecht und das Gelingen der Integrationsaufgabe in einer Beziehung zum anderen Geschlecht.
2 Sexualität meint eher die emotionale Form des Erlebens und das Gerichtet sein auf Fruchtbarkeit und Lust.